Sonntag, 5. Juni 2016

Freddy und die Melodie der Nacht (1960) Wolfgang Schleif

Freddy (Freddy Quinn) kümmert sich um Inge (Heidi Brühl)...
Inhalt: Wie jeden Abend tritt Freddy (Freddy Quinn) seinen Job als Taxi-Fahrer an, der seine Kunden durchs nächtliche Berlin transportiert. Zu seinen ersten Fahrgästen gehören Karl (Peter Carsten) und Willy (Harry Engel), die am Tempelhofer Flughafen in sein Taxi steigen. Freddy ahnt nicht, dass sie einen Überfall auf einen Geldtransport begangen hatten, ohne Beute zu machen. Ihre Flucht aus Berlin (West) per Flugzeug scheiterte an 50 Mark, weshalb sie das fehlende Geld dringend auftreiben wollen. Als sie mitbekommen, wie Freddy seinem Kollegen Paul (Werner Stock) 50 Mark für eine Tankfüllung gibt, wechseln sie mit dessen Einverständnis das Taxi.

...Karl (Peter Carsten) und Willy (Harry Engel) sind erst später dran
Die scheinbar lukrative Fahrt wird für den Familienvater Paul schnell zum Alptraum, denn Karl schießt rücksichtslos auf ihn. Mit den 50 Mark fliehen die beiden Männer und lassen den Schwerverletzten zurück. Inzwischen kümmert sich Freddy um Direktor Wendlandt (Hans Nielsen), der auf der Suche nach frivoler Unterhaltung im Berliner Nachtleben ist. Zuerst musste Freddy die Blumenverkäuferin Inge (Heidi Brühl) aus dessen Fängen befreien, aber der Mittfünfziger erweist sich zunehmend als sympathische Frohnatur…


Coolness war 1960 noch kein stehender Begriff für einen souveränen Charakter, der nie die Nerven verliert. Und Freddy Quinn, der Schlagersänger und "Junge von St.Pauli", gehört aus heutiger Sicht kaum zu den üblichen Verdächtigen dieser Spezies, aber genau das war er in seinen Rollen - cool bis zum Abwinken. In "Freddy und die Melodie der Nacht" spielte er einen Taxifahrer in Berlin (West), der immer weiß was zu tun ist und immer die richtigen Worte findet. Egal ob er einen reichen Unternehmer (Hans Nielsen) zu den einschlägigen Etablissements der Stadt kutschiert, seinem Kollegen - Typ kinderreicher Familienvater – eine lukrative Fahrt überlässt, auf dem Polterabend seines Chefs die Unterhaltungs-Kanone gibt, für die Imbissverkäuferin Frau Bremer (Grethe Weiser) ein paar charmante Worte übrig hat oder Jagd auf Verbrecher macht.

Selbstverständlich weiß er auch Inge (Heidi Brühl) zu umgarnen, die als Blumenmädchen nachts Geld für ihr Studium verdient und Anmache gewohnt ist. Sie lässt sonst Jeden abblitzen, nur Freddy findet den Zugang zu ihr - dabei jederzeit den gebotenen Anstand wahrend. Mühelos kombinierte Quinn den Typus "idealer Schwiegersohn" mit dem Typus "einsamer Wolf", zu dem er zu Beginn des Films hochstilisiert wird, wenn er in Lederjacke seinem nächtlichen Gewerbe nachgeht und das Lied "Melodie der Nacht" zum Besten gibt:


"Melodie der Nacht, wenn die Dunkelheit erwacht,
zieh' ich durch die große Stadt,
einsam hallt mein Schritt, es geht Niemand mit mir mit,
durch die menschenleeren Straßen,
so bin ich allein und frage mich, gibt`s ein Herz, das mich vermisst,
und wo ist der Mensch, der zu mir hält, der genau wie ich einsam ist?
Melodie der Nacht, du hast Freud' und Leid gebracht, doch die Nacht, sie wird vergeh‘n,
Melodie der Nacht, wenn ein neuer Tag erwacht, wird dein Klang im Wind verweh'n"

Direktor Wendlandt (Hans Nielsen) schlägt ein wenig über die Strenge...
Drehbuchautor und Liedtexter Aldo von Pinelli, seit "Schlagerparade" (1953) eine Institution im deutschen Schlagerfilm, hatte wieder ganze Arbeit geleistet und kein Klischee ausgelassen. Gemeinsam mit Gustav Kampendonk und Regisseur Wolfgang Schleif war er seit "Freddy, die Gitarre und das Meer" (1959) für den Aufstieg Quinns zum Superstar verantwortlich. Im Schlagerfilm "Die große Chance" (1957) nach Von Pinellis Drehbuch spielte Quinn noch eine Nebenrolle, "Freddy und die Melodie der Nacht" wurde nach "Freddy unter fremden Sternen" (1959) dann schon sein dritter Film als Hauptdarsteller innerhalb eines Jahres - immer gemeinsam mit dem Kreativ-Trio.

...und Mutter Brehmer (Grethe Weiser) sorgt für nächtliches Wohlbefinden
Das ließ auch sonst keinen Zweifel am Charakter der übrigen Rollen, die streng auf Linie gebürstet wurden. Hans Nielsen als Direktor Wendlandt spielte einen Kapitalisten mit menschlichem Anstrich, der nach langer Ehe hin und wieder ein wenig Ablenkung sucht. Natürlich ganz im Verständnis-Modus für männliche Schwächen – angetrunken, leicht über die Strenge schlagend, aber auch spendabel und selbstironisch. Im Stil eines großen Bruders sorgt Freddy dafür, dass er am Ende wohlbehalten nach Hause kommt. Auch Grethe Weiser als Würstchenverkäuferin mit Berliner Schnauze ist hier in ihrem Element. Immer herzlich direkt gegenüber ihrer Kundschaft, nur Sohn Willy (Harry Engel) kann bei ihr machen was er will – ihm kann sie nicht böse sein.

„Der Junge ist kein schlechter Kerl, nur zu verwöhnt“

Kai Fischer als promiskuitive Anka...
Keine typischen Worte eines Altvorderen, sondern von Inge, der Idealverkörperung einer tüchtigen jungen Frau. Hübsch, aber dezent gekleidet, nachts für ihr Sprachen-Studium arbeitend, aber moralisch integer bei Mutter Bremer zur Untermiete wohnend. Heidi Brühl gegenüber steht Kai Fischer in ihrer gewohnten Rolle als „billiges Flittchen“ (Zitat Mutter Bremer). Optisch sexuell herausfordernd, lässt sich Anka (Kai Fischer) gerne von den Männern aushalten, ohne sich festzulegen. Der schwache Willy ist für sie ein willkommenes Opfer – bei Freddy hätte sie keine Chance. Das gilt auch für Willys Freund Karl Bachmann (Peter Carsten), ein Krimineller, der keine Skrupel kennt, Frauen zu schlagen und auf Wehrlose zu schießen. Mit Willy zusammen hat er einen Geldtransport überfallen, musste aber ohne Beute abziehen. Jetzt fehlt ihnen das Geld, um aus dem Berliner Westen in die Bundesrepublik zu fliehen.

...und Erotik im Berliner Nachtleben
An dieser Figuren-Konstellation wird die Nähe des Films zum damals populären „Moral-Film“ deutlich, mit dem die Jugend vor den Gefahren einer sich verändernden Sozialisation gewarnt werden sollte. Anka, Willy und Karl stehen für die negativen Auswirkungen loser Moral- und egoistischer Konsumvorstellungen, Inge für die gewünschte Rolle einer zukünftigen Hausfrau und Mutter. Und Freddy ist „der Fels in der Brandung“, ein Mann, der immer zwischen Gut und Böse unterscheiden kann, dabei auch mal ein Auge zudrückend. Gesanglich blieb er zurückhaltend. Wie der gesamte Film, dessen Musiknummern sich - anders als im „Schlagerfilm“ üblich - stimmig ins Geschehen integrierten. Das Hauptgewicht lag auf zwei professionellen Tanznummern, die im Zusammenhang mit Freddys Tour durch die Berliner Nacht-Clubs gezeigt wurden. Hier durfte es hemmungslos erotisch zugehen, damit nicht nur Direktor Wendlandt auf seine Kosten kam.

Geschuldet war diese frivole Seite auch dem Bild Berlins als verruchte Großstadt zwischen Kriminalität und Verlockung. Der Heimatfilm-Charakter, den Quinns Filme im Kontrast zu seinem weltmännischen Auftreten (Motto „in der Heimat ist’s am schönsten“) sonst auszeichneten, blieb wie die Sehenswürdigkeiten der Stadt oder deren politische Teilung fast vollständig ausgeblendet. Betont wurde dagegen die fehlende Sperrstunde. Berlin hat nie geschlossen – die Wurst bei Mutter Brehmer nachts um 2 ist genauso selbstverständlich wie die geöffnete Kneipe am frühen Morgen. Zwischendurch geht Freddy auch aufs Polizeirevier und macht eine Aussage über die zwei Verbrecher. Anzusehen ist den Protagonisten die nächtliche Stunde nicht, müde wirkt hier Niemand, viel mehr wurde die Handlung einfach in die Dunkelheit verlegt.

Will man von Handlung reden, denn eine echte Story existiert hier nicht. Einzig die beiden Kriminellen Karl und Willy sorgen für etwas Dynamik, aber ihr Verhalten ist an Unlogik schwer zu übertreffen. Da ihnen Geld für die Flucht per Flugzeug aus dem Westteil Berlins fehlt, überfallen sie Freddys Taxi-Kollegen, nachdem sie mit angesehen hatten, dass er von Freddy 50 Mark für eine Tankfüllung erhalten hatte. Blöderweise hatte Karl das Ersatzmagazin seiner Waffe zuvor in Freddys Taxi verloren, weshalb sie sich in den folgenden Stunden auf dessen Spur setzen, um das mögliche Beweisstück gegen sie wiederzubekommen. Nicht nur das sie sich dabei ungeschickt und zögerlich verhalten, sie hatten inzwischen so viele Indizien hinterlassen, dass es darauf gar nicht angekommen wäre – sie verlieren nur unnötig Zeit.

Eine Rolle spielte das nicht, denn „Freddy und die Melodie der Nacht“ erinnert in seiner Ziellosigkeit, dem Aufnehmen unterschiedlicher Handlungselemente, ohne sie zu Ende bringen zu müssen, an die parallel aufkommende „Nouvelle vague“. Von Pinelli, Kampendonk und Schleif kombinierten Schlagerfilm, Großstadt-Drama, Moralfilm, Liebes- und Kriminalgeschichte zu einem Mix, der den einzelnen Bestandteilen wieder ihr Gewicht nahm. In seiner auf Relativierungen verzichtenden Tragik ist der Film zudem von einer überraschenden Konsequenz. Das Bild der zurückgelassenen Grethe Weiser brennt sich in die Erinnerung und widerspricht Freddys Liedtext – der Klang der Nacht verweht nicht beim Tagesanbruch.

"Freddy und die Melodie der Nacht" Deutschland 1960, Regie: Wolfgang Schleif, Drehbuch: Aldo von Pinelli, Gustav Kampendonk, Darsteller : Freddy Quinn, Heidi Brühl, Grethe Weiser, Peter Carsten, Kai Fischer, Harry Engel, Hans Nielsen, Werner Stock, Laufzeit : 89 Minuten 

weitere im Blog besprochene Filme von Wolfgang Schleif: 

"Freddy, die Gitarre und das Meer" (1959) 
"Freddy unter fremden Sternen" (1959)

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